Hoffnungen und Ängste

Hoffnungen und Ängste

Hoffnungen:
Science-Fiction ist zugleich Projektionsfläche für Träume, Hoffnungen, Befürchtungen und Beobachtungen. Dadurch, und entgegen aller akademischen Abwertung, ist es ein durchaus sehr bedeutungsvolles, facettenreiches und vor allem persönliches Genre. Denn Autor*innen bauen – in der Regel automatisch – Elemente ihrer eigenen Perspektive auf die Gegenwart in das Fundament eines Weiter- und Größerdenkens unserer Welt ein.

Im Umkehrschluss wird schnell klar, wieso der Mangel an BIPoC vor, aber ganz explizit hinter der Kamera ein Problem ist. Denn das Überwinden einer eingefahrenen, auf systematischer Repression gebauten Zukunftsvorstellung, die oft unbewusst noch lange im Hinterkopf einer weißen Mehrheitsgesellschaft verbleibt, resultiert automatisch in anderen Ideen einer Utopie und einer Dystopie. Welche Systeme wollen wir hinter uns lassen? Welche Gesellschaftsdynamiken neu denken? Was bedeutet es, in der Zukunft eine BIPoC zu sein? Queer zu sein? Anders zu sein? Was wird „anders“ bedeuten? Diese Fragen eröffnen sofort die Basis für neu gerahmte Geschichten, die wir brauchen, um unsere Gegenwart und unsere Zukunft besser zu verstehen. Um zu begreifen, dass wir als Individuen nicht nur stringent nach vorne denken, sondern dabei Hand in Hand gehen sollten – mit einer unablässigen Empathie für andere Wahrnehmungen.

Ängste:
Von allen Genres hat der Horrorfilm wohl am meisten durchgängige inhaltliche Struktur. Das Genre ist ein Dauerbrenner in Hollywood, weil auf bestimmte narrative Formeln zurückgegriffen werden kann, die untergraben werden, um die Zuschauer*innen zu überraschen (oder auch nicht). Diese tropes werden immer wieder mit neuen Konzepten verbunden – und das oft mit einem für Studios angenehmen Budget. Die starke psychologische Wirkung des Genres hält es trotz vieler uninspirierter Projekte am Leben, und mit Autor*innen wie bspw. Jordan Peele hat intensiver, gesellschaftlich konfrontativer Horror gerade einen kleinen Höhepunkt. Hierzulande wird das Genre gern als „minderwertig“ angesehen. Was sollen Horrorfilme uns groß sagen? Ist das nicht nur billiger Effekt für die Masse? Die Argumentation ist oft sehr elitär und sehr weiß gedacht, denn Horror ist ein Genre, welches die Zuschauer*innen unfassbar nah an Traumata, wie zum Beispiel Rassismus, bringen kann. Diverse Perspektiven könnten dem deutschen Horrorfilm, der seit AKIZ‘s Der Nachtmahr in einen tiefen Schlummer verfallen ist, auf gar keinen Fall schaden. Auch in Deutschland ist es an der Zeit, über die Ängste von weißen und von BIPoC zu reden, und zwar ohne Samthandschuhe, weißen Blick und künstlerisches gatekeeping, die das Genre oft nur „intellektuell angehoben“ akzeptiert. Es muss krachen, denn nur so wird klar, was für heftige, ungefilterte Emotionen Diskriminierung in unserer Gesellschaft verursachen, denn oft sind diese Problematiken in einer seltsam bequemen Distanz verpackt, die dieser Tage wirklich niemand mehr braucht.

Autor: Kareem Baholzer